Karikaturen und Cartoons

von Roger Schmidt

Karikaturist Roger Schmidt

Der Duden bezeichnet die Karikatur als „… eine Zeichnung, die durch satirische Hervorhebung bestimmter charakteristischer Züge eine Person, eine Sache oder ein Geschehen der Lächerlichkeit preisgibt“. Karikatur leitet sich aus dem italienischen Wort caricatura ab und bedeutet „überladen“.

Als die Druckerpresse in der Lage war, nicht nur lose Texte aneinander zu reihen, sondern auch Bilder einzubinden, fand die Karikatur ihre Verbreitung und wurde fester Bestandteil in den Zeitungen. Die politisch-satirische Zeitschrift „La Caricature“ von Charles Philipon, ca. 1830 gegründet, gilt allgemein als Startpunkt einer periodisch wiederkehrenden Zeitungskarikatur. Das Bild – die Karikatur – wurde damit zu etwas Besonderem. Sie ist mehr als nur ein gezeichneter humoristischer Kommentar, der den Einstieg in das politische Geschehen erleichtern soll, sondern setzt das Wissen darum vielmehr voraus. Eine Karikatur will gelesen und verstanden werden und ist, insbesondere die politische, auf unmittelbare Wirkung bedacht. Als Kommentar immer zeitaktuell, vertritt die Karikatur eine pointierte Meinung, provoziert und weiß um ihre Zielgruppe.

Karikaturen sind alt. Sehr alt. Die erste Karikatur ist wohl schon gezeichnet worden, als Papyrus noch das Papier ersetzte. Allerdings mit nur geringer Reichweite. Als Gottkönige dürften die damaligen Pharaonen eher als Humorreduzierte eingestuft werden, was sich sicherlich auf Überleben & Fortpflanzung der ersten Karikaturisten ausgewirkt haben dürfte… Eine wenigstens minimale Form der Pressefreiheit kann somit als zwingend angenommen werden, wenn die Zeichnungen die eigenen vier Wände verlassen sollten. Mit Zensurvorschriften und -maßnahmen mussten sich Karikaturisten schon immer auseinander setzen. In der Bundesrepublik Deutschland steht im Artikel 5 des Grundgesetzes: „Eine Zensur findet nicht statt.“ In der aktuellen Fakenews- und Hatespeechdebatte scheint man das ein wenig vergessen zu haben. Aber das ist ein Thema für den hier erschienenen kurzen Aufsatz „Was darf Karikatur?“. Die Obrigkeit war schon immer wachsam…

Die Bedeutung der Karikatur wuchs, als immer mehr Druckerzeugnisse erschienen. Der Wettbewerbsgedanke der Zeitungsherausgeber war anfangs mangels Masse als vernachlässigbar anzusehen, nahm aber mit zunehmenden Konkurrenzdruck zu. Es galt, die eigene Zeitung als das attraktivste Blatt darzustellen. Wer viele Leser hatte, konnte auch hohe Werbeeinahmen erzielen. Damals wie heute. Die Karikatur wurde zu einem Blickfang, der Kaufanreiz bildete. Der schnelle Leser, oder der, der nicht immer ganz bei der Sache ist, bleibt immer zuerst bei einem Bild hängen, nicht beim geschriebenen Wort. Gute Karikaturen konnten so zu einem Wettbewerbsvorteil werden und die eigene Zeitung gegenüber der Konkurrenz abgrenzen. Aus Sicht des bildenden Künstlers war die Karikatur erstmalig die Gelegenheit, seine politischen oder gesellschaftlichen Ansichten einem größeren Publikum mitzuteilen. Erreicht werden sollte ein politisch interessiertes Publikum, das in seiner Meinung bestärkt werden oder einen Denkanstoß erhalten sollte. Aus dem Gelegenheitszeichner wurde ein Geschäftsmann, der täglich zu liefern hatte. Die Karikatur reihte sich zwischen den Nachrichten und Textmeldungen ein. Der Karikaturist wandelte sich vom Künstler zum Journalisten.

Wenn es so ist, dass die Massenmedien eine wichtige Aufgabe bei der Politikvermittlung übernehmen, dann kommt der politischen Karikatur eine besondere Aufgabe zu. Sie benötigt zwar die Vorleistungen der politischen Berichterstattung, das Verdienst der Karikatur besteht aber in der Selektion eines aktuell ergiebigen Themas, das es mittels einer grafischen und satirischen Sprache umzusetzen gilt. Der Betrachter wiederum muss die Symbolik der Karikatur entschlüsseln und verstehen. Sie wird damit zur Politik- und Gesellschaftskritik. Auf diese Weise wirkt die Karikatur auf die Meinungs- und Willensbildung und darüber hinaus auf die Kontrolle politischer Amtsinhaber.

Karikaturen decken einen breiten Bereich ab. Es gibt die politische Karikatur, die Porträt-Karikatur, Kultur- und Zeitkritik, die Serienfigur und die allgemeine Witz-Karikatur. Je nach Selbstverständnis der Zeitung finden diese Karikaturen Einzug an prominenter Stelle, z.B. der zweiten Seite oder als Witzezeichnung auf der letzten Seite. Manchmal reicht es auch nur zum Lückenfüller, um das Layout zu vervollständigen.

Geklärt werden sollte auch die Frage, ob eine Karikatur eher dem Journalismus, der Kunst oder beidem zuzuordnen ist. Daraus lässt sich ableiten, was eine Karikatur darf.

1. Die Karikatur im journalistischen Sinne

Wer diese Meinung vertritt, bezeichnet die Karikatur auch gerne als „gezeichneten Kommentar“. Kriterien für diese Zuordnung sind formaler und inhaltlicher Art. Zu erwähnen wäre auch, dass der Karikaturist mit seiner Karikatur eine Wirkung beabsichtigt. Allein die Veröffentlichung in einem journalistischen Medium könne diese Zuordnung rechtfertigen. Die Karikatur hat einen Zweck: Kritik. Und eine Karikatur im Museum wird mit anderen Augen – Kunst-Augen – betrachtet und interpretiert als die tagesaktuelle. Die Karikatur wird so zum grafischen Journalismus, zum grafischen Kommentar. Sie fällt dem gleichen Vergessenheitssog wie die Tagesnachrichten der Journalisten zum Opfer – eben vergänglich… Der Karikaturist wird zum Publizisten, macht Meinung durch eine pointierte, überspitze und sarkastische Darstellung von Personen und Ereignissen. Als Kurzkommentar gesehen, landet sie einen Volltreffer, wenn sie gut ist. Verborgene Wahrheiten erhalten eine kurze Gelegenheit für die Belichtung der Netzhaut des Rezipienten…

2. Die Karikatur im künstlerischen Sinne

Verfechter des künstlerischen Aspektes sehen die Karikatur mit den Augen einer bildenden, schöpferischen Kraft. Die Zeitung ist nur ein mögliches Medium. Die schönsten Karikaturen sind meines Erachtens die, die sich nur der bildnerischen Sprache bedienen und ganz ohne Text auskommen. Insofern braucht ein Karikaturist noch nicht einmal schreiben zu können. Eine Karikatur ohne Worte wäre dann auch nicht mehr dem Journalismus zuzuordnen…Ohne Phantasie sind Tatsachen nicht auf den Kopf zu stellen. Die Karikatur zerlegt die Realität, ordnet um und bildet neue Zusammenhänge. Die zeichnerischen Fähigkeiten des Karikaturisten können die Karikatur der Kunst zuordnen, wenn auch eher in einer untergeordneten Rolle. Der Journalist sucht die Wahrheit (sollte…) und bemüht sich um Objektivität. Die Karikatur dagegen verzerrt bis zur berufsmäßigen Lüge. Als bildhafte Satire ist sie etwas anderes als das geschriebene Wort – sie ist kritische politische Kunst. Und Karikaturisten sind Beobachter und Darsteller ihrer Zeit.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Begriff der Kunst und damit auch der Karikatur wie folgt gefasst: „Das Wesentliche der künstlerischen Betätigung ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden… Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen; es ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck und zwar unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers.“

Politische Karikaturen, mit Stift, Feder, Pinsel oder iPad gezeichnet, werden unter diesem Gesichtspunkt als ästhetische Produkte verstanden. Sie sprechen impulshaft Denken und Emotionen an, nutzen die künstlerischen Möglichkeiten ihrer Zeit und vertrauen darauf, dass der Betrachter diese zeitaktuell entschlüsseln kann. Sie sind originell und original, der Karikaturist als Künstler ist in seiner individuelle Handschrift unverwechselbar. Karikaturen sind Kunstwerke.

3. Die Karikatur im journalistischen und künstlerischen Sinne

Also ein sowohl als auch. Gut geeignet für alle, die sich nicht festlegen wollen oder können. Liegt vielleicht auch daran, dass sich Karikaturisten nicht so gerne in eine Schublade packen lassen wollen. Als Spötter des Zeitgeistes halten es Karikaturisten nicht lange in der muffigen Enge aus. Damit dürfte auch mein eigener Standpunkt klar sein. Wer die gemäldehafte Darstellung mancher Karikaturen, die durchaus auch anspruchsvolle Druckbände füllen, vor Augen hat, kann die Rivalität zwischen Kunst und Journalismus erkennen. Insbesondere, wenn es Werke mit Langzeitwirkung sind. Vor diesem Hintergrund erfüllt die Karikatur sowohl Aufgaben innerhalb der Meinungsbildung als auch die der künstlerisch-grafischen Gestaltung…

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